Sprache als wissenschaftlicher Gegenstand, philosophisches Phänomen und Tat

24.80 

Beschreibung

Uwe Petersen

 

Sprache
als wissenschaftlicher Gegenstand, philosophisches Phänomen
und Tat

 

 

 

Verlag Königshausen Neumann GmbH, Würzburg 2008
ISBN 978-3-8260-3792-4

 

 

Einleitung

  1. Sprache als wissenschaftlicher Gegenstand
  2. Sprache als theoretischer Gegenstand
  3. Sprachentstehung im Rahmen der wissenschaftlichen Entwicklungstheorie des Universums
  4. Natursprachen, eine Interpretation von Beziehungen zwischen organischen Entitäten als sprachliche Kommunikation
  1. Neuzeitliche Sprachtheorien
  2. Intellektualistische Sprachtheorien

1.1 Ferdinand de Saussure.

1.2 Noam Chomsky

1.3 John R. Searle

1.4 Jürgen Habermas

  1. Sprachtheorien des Sprachgeschehens

2.1 Ludwig Wittgenstein

2.2 Jacques Lacan

2.2.1 Sprache als
Differenzgeschehen

2.2.2 Das Performative der Sprache als das Andere des Bewusstseins

2.3 Jacques Derrida

  1. Sprachtheorien der Sprache als Handeln

3.1 John Langshaw Austin

3.2 Niklas Luhmann

3.3 Donald Davidson

3.4 Judith Butler

3.5 Habermas als
Handlungstheoretiker

  1. Warum fällt es
    Sprachtheoretikern so schwer, Sprache als Handlung zu beschreiben?

III. Sprache als sinnliche Erfahrung.

  1. Sinnliche Erfahrung als das Andere theoretischer Vergegenständlichung
  2. Die sinnliche Seite der Sprache
  1. Von der Sprachtheorie zur Sprachwissenschaft
  2. Sprache als philosophisches Phänomen
  3. Die Intentionalität allen Denkens

Die Intentionalität der Sprache.

  1. Individuation und Selbstverwirklichung als leitende Intentionalität des Menschen
  2. Die Individuation des Menschen im Spiegel der Sprachentwicklung
  3. Sprachentstehung als Selbstwerdung

2.1 Die Ursprache.

2.2 Die Sprache als bewusste
Tätigkeit

2.3 Das Ineinander von
Sprache und Ursprache

  1. Die Vergöttlichung der Sprache

III. Sprache als Kompetenz und Werkzeug

  1. Sprache als Tat
  2. Sprache als kreativer Akt
  3. Sprache als Handeln.
  4. Sprache als Formation
  5. Sprache als.
  6. Das Ineinander von Formation und Information in der Sprache.

III. Sprache als Werk.

  1. Sprache als intellektuelle und Moment praktischer Tat

Ausklang

Literaturverzeichnis.

Sprache ist so sehr mit dem Menschen verbunden, dass Sprachfähigkeit als ein wesentliches Kriterium für die Unterscheidung von anderen Lebewesen gilt und deswegen wert ist, ihr Wesen zu bestimmen und sie zu analysieren. Dem Zeitgeist gemäß sollte diese Analyse eine wissenschaftliche sein. Vorbild für moderne Wissenschaftlichkeit sind die Naturwissenschaften und namentlich Chemie und Physik. Demzufolge ist zunächst das Wesen der Wissenschaft darzustellen.

Dem Anspruch nach umfasst Naturwissenschaft, und insbesondere die Physik, alle Seinsbereiche, und demnach muss auch Sprache letztlich auf physikalische Entitäten reduzierbar sein und aus physikalischen Entitäten entstanden sein. Darzustellen ist deshalb, wie sich Sprache nach physikalischen Vorstellungen entwickelt haben soll.

Da die Entwicklung der Sprache aus Elementarteilchen, bzw. deren angenommenen Weiterentwicklungen zu Genen, auch aus der Sicht der Naturwissenschaften so gut wie keine Wahrscheinlichkeit hatte und Entwicklung als Prozess theoretisch ohnehin nicht objektiviert werden kann, versuchen Theoretiker einer Natursprache, die Kommunikation zwischen Entitäten bereits sprachlich zu interpretieren und diese, zumindest soweit es sich um Lebensprozesse handelt, nicht als energetisch zu definieren. Die Gene werden dabei als Textfrequenzen aufgefasst, die miteinander kommunizieren, wobei die Textfrequenzen umso länger sind, je komplexer miteinander kommunizierende Entitäten sind.

Die Weiterentwicklung physikalischer Bausteine zu Textfrequenzen tragende Gene hält jedoch noch an dem Glauben, dass Entitäten, in diesem Falle ‹Innovationsgene›, eine Entwicklung auslösen, fest und kann auch das Wesen von Dynamik, Werden, und des Zeitflusses nicht erfassen. Im Übrigen ist die Uminterpretation von Teilchen zu Textfrequenzen noch keine Sprachtheorie. Sie ist eher der Versuch, Lebensphänomene nicht mechanistisch, sondern organisch zu interpretieren. Gegenstand der Sprachwissenschaft ist dagegen die Sprache als Form bewusster zwischenmenschlicher Kommunikation, die sich als solche von allen rein sachlichen Kommunikationsbeziehungen unterscheidet.

Sprache kann als intellektualistisches System, als Tätigkeit und als Handlung beschrieben werden. Exemplarisch folgen wir Sibylle Krämer bei der Darstellung von Sprachtheorien des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie unterscheidet intellektualistische Sprachtheorien und Sprachtheorien der Performanz, d. h. Theorien über das Sprechen als Tätigkeit. Innerhalb der von Krämer definierten Sprachtheorien der Performanz werden wir jedoch noch solche unterscheiden, die das reine Sprachgeschehen zum Gegenstand haben und solche, die Sprache als Handlung verstehen. Erstere betrachten nur einfaches Prozessgeschehen, bei dem Sprecher und Hörer nicht oder kaum thematisiert werden. Sprachtheorien der Sprache als Handlung beziehen dagegen die Sprecher und Hörer in ihrer jeweiligen Situation, aus der und in die sie sprechen, mit ein. Allerdings sind Sprecher und Hörer darin auch nur Entitäten oder fungieren gar nur als Ausfluss ihrer Situation, d. h. werden als Funktion der Situation verstanden, aus der sie handeln.

Sprachtheorien bedürfen, um als Erkenntnisse anerkannt zu werden, der Verifikation durch empirische Forschung. Die Linguistik bedient sich dabei mehr und mehr auch der Methoden der Hirnforschung.

Sprachwissenschaftler stehen, wie alle Wissenschaftler, zu ihren Wissensgebieten in einem dualen Verhältnis. Sprachphänomene erscheinen als Objekte. Gegenstand der Sprachwissenschaft kann immer nur das sein, was sich als Sprache bereits gebildet hat. Im Gegensatz zu physikalischen Erscheinungen unterliegen lebende Sprachen aber einem ständigen Wandel, der zwar für vergangene Entwicklungen im Sinne von Zustandsvergleichen auch vergegenständlicht werden kann. So können nicht nur Hoch- mit Alltagsprachen und anderen Sprachen verglichen werden, sondern auch mit früheren Stadien der gleichen Sprache. Das Kreative, das eine Sprache weiterentwickelt, tritt dabei aber nicht in den Blick.

Um Sprache und Sprechen als kreativen Akt zu erfassen, muss zunächst die Dualität zwischen Wissenschaftler und Sprachphänomenen selbst thematisiert werden. Es muss gefragt werden, warum der Sprachwissenschaftler seine Wissenschaft überhaupt betreibt, was ihn dazu motiviert. Ausgehend von einer solchen phänomenologischen Betrachtung können dann auch alle einzelnen Sprachphänomene wie Bedeutungen, die Syntax und die Entwicklung der Sprache aus den Intentionen der Sprecher und Hörer behandelt werden.

Da Sprachwissenschaft sich am Ideal der Naturwissenschaft orientiert, ist es zweckmäßig, diese Frage grundsätzlich an Wissenschaft überhaupt zu stellen. Als Intention wird sich dabei zeigen, dass Wissenschaftler sich nicht einfühlend in das Wesen der Erscheinungen der Natur einleben, sich für das Wesen der Dinge öffnen, sondern dass sie die Natur beherrschen wollen, selbst wenn sie selbst glauben, interesselos zu forschen. Das ergibt eine phänomenologische Betrachtung. Entsprechend wollen Sprachwissenschaftler Maßstäbe für als vorbildlich definiertes Sprechen, Spracherkennung von Computern, Sprachverhalten als Indikator für mentales Fehlverhalten usw. ermitteln. Wir werden die Abhängigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse von ihren Fragestellungen deutlich machen.

Für die Analyse der Naturerscheinungen braucht die Intentionalität des Naturwissenschaftlers allerdings nur dann thematisiert werden, wenn die Wirkungen von Naturwissenschaft und Technik auf die Natur und die Gesellschaft analysiert werden sollen. Bei der Sprache ist diese intentionale Betrachtung jedoch schon deswegen notwendig, weil Sprache sich nicht als fester Bestand zeigt, sondern mit jedem Sprachakt potenziell verändert werden kann.

Die Erscheinungen auf den betrachtenden Menschen selbst zurückzubeziehen, ist aber keine Wissenschaft mehr, sondern ist Philosophie. Philosophie intendiert Selbsterkenntnis und diese erfüllt sich im wesentlichen darin, was der Mensch als die seinem Wesen gemäße Tätigkeit betrachtet. Das war in der Antike und für die in ihrer Tradition stehenden Philosophien das Denken – die niedere Praxis überließ man den Sklaven -, muss aber heute das Handeln des Menschen sein. Im Handeln zeigt ein Mensch, was er ist.

Gegenstand einer Sprachphilosophie muss daher sein, Sprachphänomene und die Entwicklung der Sprache aus den Intentionen des Menschen zu erklären, die wiederum die Handlungen der Menschen bestimmen. Dabei sind die Darstellungen von Sprachtheorien und Sprachforschung jedoch nicht überflüssig. Denn Sprachphilosophie als Handlungsphilosophie hat als wesentliches Moment die theoretische Vergegenständlichung von begrifflichen Entitäten, setzt somit die Fähigkeit zum theoretischen Denken voraus. Wissenschaft ist ihr deswegen nicht etwas anderes, dass sich mit der schnöden Wirklichkeit befasst, während die Philosophie sich an ästhetischen und ethischen Betrachtungen erbaut. Wissenschaft ist vielmehr selbst bereits Handlungsphilosophie, nur dass sie sich ihrer Intentionen nicht bewusst wird und hinsichtlich der Umsetzung und Rückbeziehung ihrer Erkenntnisse auf die Technik verweist.

Bei der Erörterung einzelner Sprachtheorien kommt es deswegen auch nicht darauf an, sie erschöpfend darzustellen oder sie als falsch oder richtig zu qualifizieren und von einander abzugrenzen. Aus den jeweiligen Intentionen der Sprachtheoretiker können sie alle wahr sein. So kann es dem so genannten intellektualistischen Sprachtheoretiker z. B darauf ankommen, Standards für richtiges Sprechen zu entwickeln, während Sprachtheoretiker der Performanz das Tätige der Sprache zum Bewusstsein bringen wollen.

Sprachphilosophisch erweist sich die Entwicklung der Sprache als das Produkt der Intention zur Selbstwerdung und Selbstverwirklichung des Menschen, die ihn aus dem instinktiven Zusammenklang mit allem und allen heraustreten lässt. Erst im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Namensgebungen und Begriffen. Sprache zeigt sich als Ausdifferenzierung ursprachlicher Kommunikation, im wesentlichen körpersprachlicher Äußerungen. In den Ausdifferenzierungen verkörpern sich die jeweiligen Intentionen, zunächst einer Sprachgemeinschaft, später in Fachsprachen einzelner Gruppen oder bei Dichtungen sogar einzelner Persönlichkeiten.

Bewusste Tätigkeit ist uns das Handeln. Handeln ist mehr als eine intentionale Beziehung, die ihrerseits auch noch als eine statische Gegebenheit erscheint. Der handelnde Mensch vergegenständlicht vielmehr jeweils seine Situation und das, was er will, und setzt es dann um. Im Zuge der Umsetzung löst sich die Situation insoweit, als sie durch das Handeln verändert wird, auf und tritt das Neue an ihre Stelle. Da sich Handeln normalerweise in mehreren Schritten vollzieht, haben wir einen ständigen Wechsel von Vergegenständlichung und Wiederauflösung des Vergegenständlichten. Handlung als ein solches Nacheinander zu beschreiben ist der Handlung eigentlich nicht gemäß. Handlung ist vielmehr ein Ineinander von Vergegenständlichung und deren Auflösung und kommt erst im Werk bzw. sprachlich in der Aussage oder Erzählung zu einem Ende. Damit ist die Handlung aber als solche abgeschlossen. Werden Handlung und Werk zusammengedacht, und das heißt für die Sprache: Sprechen und das, was als Mitteilung oder Erzählung gesagt wird, dann wird uns Sprache zur Tat.

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